Wolter von Plettenberg

Der letzte Herrmeister in Livland
Text:Albrecht von Schwartzen

Auf der Ritterburg Meyerich im Kreise Soest er­blickte um 1450 Wolter von Plettenberg das Licht der Welt. Sein Vater Bertold hatte kurz zuvor Gösteken von Lappe, die Tochter des Burgherrn Diedrich von Lappe geheiratet und zog bald danach zu seinem Schwiegervater auf die Burg Meyerich.

Dort verlebte Wolter seine ersten Lebensjahre, bis sein Vater zu Poppelsdorf im Jahre 1461 von Erz­bischof Diederich von Köln mit dem Klötinghof belehnt wurde, wo der junge Wolter noch einige Jahre verbrachte. Dann kam dieser — noch als Knabe — nach Livland, wo die von Plettenberg der verschiedensten Linien und andere westfälische Geschlechter schon seit langem seßhaft waren. Zwar konnte über die ersten Jahre seines dortigen Auf­enthalts nichts festgestellt werden, jedoch ist mit Sicherheit anzunehmen, daß er etwa im Jahre 1470 auf der Marienburg weilte, um sich mit der dortigen Verwaltung vertraut zu machen. 1480 war er in Riga, wo er als Finanzverwalter eine leitende Stel­lung innehatte; 1481 wird er als Deutschordens­ritter, 1488 als Vogt einer Grenzstellung, 180 km östlich von Riga, genannt. Ende 1489 wurde Wolter von Plettenberg noch zum Landmarschall bestellt, einem Amt, das Kriegsminister und Heerführer des gesamten Ordens in sich verband. Ein wahrhaft rasanter Aufstieg in die höchsten Ämter des Ordens. Seitdem der Deutschritterorden das Erbe des in Livland eingesetzten und im Jahre 1236 von den Litauern vernichtend geschlagenen Schwertbrüder­ordens übernommen hatte, war Livland in seinen Wirkungskreis einbezogen. Infolge der großen Ent­fernung vom Ordenszentrum nahm der livländische Zweig des Deutschritterordens eine Sonderstellung ein, hatte seitdem einen eigenen Landmeister, auch Herrmeister genannt, der zwar dem Hochmeister unterstand, aber doch freie Hand hatte.

Diese Stellung übernahm im Jahre 1494 Wolter von Plettenberg. Er nahm als Herrmeister des Deutsch­ritterordens von Livland seinen Sitz in der Ordens­burg Wenden am Ufer der livländischen Aa. Er war ein Mann, der von Jugend auf der Ordens­sache verhaftet war. Seine vornehmste Aufgabe galt dem Schutz des jungen christlichen Staates vor den Raubgelüsten des russischen Nachbarn. Am 13. September 1502 sah sich Wolter von Pletten­berg einer gewaltigen Übermacht von 130 000 Mann des Zaren Iwan Wasiljewitsch des Großen gegen­über. Er selbst verfügte nur über 7 000 Reiter, 5 000 Livländer und 1 500 deutsche Landsknechte. Zehn­fach war die russische Übermacht bei Pleskau am See Smolina und der Kampf wurde mit unerschrok­kener Tapferkeit und todesmutiger Ausdauer aus­getragen, bis das livländische Fußvolk, vom langen Kampf ermüdet, schließlich auf den Knien liegend focht. Und dann überwand Wolter doch zuletzt mit seinen Tapferen den ungeheuren Gegner. Er brachte ihm eine Niederlage bei, daß über 40 000 Russen und Tataren auf dein Platze blieben.

So verlief die letzte der vielen Schlachten, die Wolter von Plettenberg, um den Orden zu erhal ten, schlagen mußte. Der letzte Sieg hatte die Rus­sen so schockiert, daß sie auf viele Jahre hinaus Ruhe hielten.

In Anerkennung dieses größten Sieges des Deut­schen Ritterordens ernannte Kaiser Maximilian I. den Herrmeister von Livland, Wolter von Pletten­berg, zum Reichsfürsten mit Sitz und Stimme auf dem Reichstag.
Als Luthers neue Lehre sich nach und nach über den livländischen Raum ausbreitete, traten für Wol­ter von Plettenberg innere Nöte auf, die zu schwe­ren Komplikationen mit dem Erzbischof und auch mit herrschsüchtigen und verräterischen Ordens­rittern führten. Schier Unmenschliches leistete der nun alternde Ordensmeister um die Erhaltung des inneren Friedens. Der letzte Hochmeister des Ordens in Königsberg, Markgraf Albrecht von Hohenzol­lern, löste im Einverständnis mit den Deutsch­ordensrittern im Jahre 1525 in Preußen den Orden auf. Der Übertritt zum lutherischen Glauben wurde geschlossen vollzogen. Während im benachbarten Livland der Deutsche Ritterorden von Wolter von Plettenberg weitergeführt wurde, war Preußen ein weltliches Herzogtum geworden. Livland verlor da­mit seine beste Stütze. Die Städte Riga, Reval und Dornat boten Wolter die Schirmherrschaft mit der Herzogswürde an.

So ehrenvoll dieses Angebot auch war, es bedeutete aber den Krieg mit Polen, da der Erzbischof unter dem Schutz des polnischen Königs Sigismund stand. Sein Land wollte er so lange als nur eben möglich vor Krieg bewahren, und da zudem Wolter dem Deutschen Kaiser den Treueeid geleistet hatte, schlug er das Angebot aus mit den Worten: „Es widerstrebt mir, den einen Stand gegen den ande­ren zu beschützen.“ Seinem Land wollte er zum inneren Frieden verhelfen. Die Lage des Bauern­standes wollte er verbessern und die öffentliche Sicherheit fördern, damit Handel und Wandel wie­der aufblühten.

Nach dem Abfall Preußens war ihm die große Auf­gabe geblieben, die letzten Ordensgebiete dem Orden zu erhalten. Er stand jetzt vollkommen allein im fernen Osten, war völlig vom Deutschen Reich abgeschlossen, da alle Wege vom Hohenzoller- und vom Polenkönig gesperrt waren. Evangelische Krei­se regten sich im eigenen Lande, und als der Erz­bischof, weil man sich ihm in Riga widersetzt hatte, selbst die Hilfe des russischen Großfürsten anrief, mußte Wolter eingreifen. Er ließ den Erzbischof auf der Ronnenburg gefangen setzen, trotz Murrens der Städte Riga und Dorpat. Dafür erreichten diese, daß ein Bündnisangebot Plettenbergs an die Hanse auf dem allgemeinen Hansetag zu Lübeck schroff ab­gelehnt wurde. Abermals forderten die Städte die Herstellung eines weltlichen evangelischen Herzog­tums, da Livland auf sich selbst gestellt war. Aber Plettenberg war und blieb der Mann der selbst­losen Treue.

Er blieb auch dann noch treu, als er dem damaligen Papst infolge falscher Instruktionen verdächtig schien und dieser ihm die Stelle des Hochmeisters versagte. Er hatte beim Aufkommen der Reforma­tion religiöse Neutralität gewahrt und den neuen Glauben nicht unterdrückt. Er verstand es immer wieder, die Uneinigkeit zu bannen und das Land gegen Osten zu sichern. Er stand wie ein Fels in den brausenden Wogen der Zeit. Und rüstig an Leib und Seele blieb er .bis zum Tode auf seinem Posten. Am Sonntag Oculi, dem 28. Februar 1535, starb er hochbetagt und von allen Deutschen im Osten wie in der Heimat bewundert und betrauert. Ein strenger Gerechtigkeitssinn, unbestechliche Wahrheitsliebe, Milde und eine innige und kind­liche Frömmigkeit waren die hervorragendsten Eigenschaften jenes Mannes, der Wolter von Plet­tenberg hieß, jenes Größten, den das Geschlecht derer von Plettenberg je hervorgebracht hatte. Sechsundzwanzig Jahre nach seinem Tode zerfiel der livländische Staatenbund unter viel Blut und Tränen. Schweden, Dänemark, Rußland und Polen traten das Erbe an.

Wolter von Plettenberg fand eine Stätte im deut­schen Pantheon, in der Walhalla zu Regensburg. Im Innenhof des Schlosses zu Riga war bis Ende des letzten Krieges sein Standbild, das ihn in voller Rüstung, jedoch ohne Helm auf dem mächtigen Schädel mit der hohen Stirn, mit dem langen Haupt­haar und vollem Bart darstellt. Der weiße Ordens­mantel mit aufgenähtem Kreuz ist um die Schultern gehängt und seine Rechte umfaßt das lange Schwert. Der Name „Plettenberg“ wurde durch ihn in die Geschichte seiner Zeit unauslöschlich eingetragen.

Er war ein großer Deutscher, dessen Familie in ihrem Ursprung auf das alte Plettenberger Ge­schlecht zurückgeht.

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© M.Schmellenkamp
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