Hans Dehm, Stuka-Pilot

Zur Erinnerung an Hans Dehm

Der pensionierte Schulrektor,der sich noch bis zum Schluss engagiert für die Pfarrei St.Michel in seiner Heimatstadt Seeshaupt einsetzte, verstarb kurz vor seinem 90. Geburtstag im Mai 2011.
Während des zweiten Weltkrieges unterstand auch er dem Regime, und flog als Pilot eines deutschen, einmotorigen Sturz-Kampfflugzeuges Ju 87D-5 (Stuka) Nachtschlacht-Einsätze. Dabei stürzte er über Plettenberger Gebiet ab. Nach seinem Absturz pflegte er noch regelmäßig Kontakt zu Plettenberg, insbesondere zu der Familie die ihm damals, in der Nacht des Absturzes, eine Unterkunft bot.

1944 stürzte er über Plettenberg ab

Hans Dehm aus München in Plettenberg: Hier hätte mir fast die letzte Stunde geschlagen (Text:ST vom 03.08.1985)

Plettenberg (mg). Im Kriegsjahr 1944 stürzte Hans Dehm mit seinem Stuka in den Wäldern von Plettenberg ab. 41 Jahre danach kehrte er an den Ort des Geschehens zurück. Mit einem Fahrrad, bepackt mit Satteltaschen, kam er gestern in Plettenberg an. Braun gebrannt, mit einer sportlich durchtrainierten Figur macht der 64jährige Mann einen putzmunteren Eindruck. »Ich erfülle mir augenblicklich meinen Wunschtraum«, strahlte der rüstige Oldie. »Ich hatte schon seit Jahren geplant, mit dem Fahrrad quer durch Deutschland zu radeln und bei dieser Gelegenheit auch noch einmal Plettenberg zu besuchen«, erzählt Hans Dehm dem Süderländer Tageblatt. »Wissen sie, hier in Plettenberg hätte mir beinahe „die letzte Stunde“ geschlagen«. Hans Dehm lehnt sich in seinem Stuhl zurück und beginnt zu erzählen:
»Während des zweiten Weltkrieges war ich Stuka-Pilot. Wir waren mit unserem Nachtschlachtgeschwader in Köln-Wahn stationiert. Der 10. Februar 1944 war ein verregneter Tag, und wir warteten auf unseren Nachteinsatz. Alle Einsätze flogen wir in der Nacht, um es dem Feind nicht allzu leicht zu machen. Wenige Minuten vor Mitternacht kam der Befehl:»Feindauftrag nach Nymwegen, Holland».

Mit dem Funker lief ich zu meiner JU-87, ein Nachtschlachtflugzeug. Gegen 1 Uhr hatten wir unser Feindziel fast erreicht. Plötzlich knallte es, die Maschine zitterte und die gesamten Bordinstrumente fielen aus. Kanadier oder Engländer hatten uns getroffen. Sofort drehte ich ab, um zu unserem Stützpunkt nach Köln-Wahn zurückzukehren. Es nieselte noch immer und bei der Dunkelheit war nichts, aber auch gar nichts zu erkennen. Orientierungslos schwebten wir durch die Luft. Wir kamen vom Kurs ab und kreisten, wie sich später herausstellte über den Märkischen Kreis.
Ich wollte eine Notlandung versuchen, da der Spritvorrat nur noch für einige Minuten reichen konnte: Wir gingen also runter und sahen durch die verregneten und beschlagenen Scheiben in der Dunkelheit verschwommen Konturen von Bergen und Wäldern, die eine Landung unmöglich machten. Wir befanden uns auf einem Blindflug. Über Lüdenscheid verabschiedete sich der Funker von mir. Mit dem Fallschirm versuchte er sich zu retten. Ein Fall in die Dunkelheit, bei dem er nicht wissen konnte, ob er den Sprung überleben würde.
Jetzt flog ich allein in der JU-87. Alle möglichen Gedanken schossen mir durch den Kopf. »sollte meine letzte Stunde ge¬schlagen haben? Wo sollte ich rausspringen«? Ich faßte mir ein Herz und sprang auch mit dem hoffentlich rettenden Fallschirm. In der Dunkelheit konnte ich nicht einmal die Hand vor den Augen sehen. Ich mußte auf eine glückliche Landung hoffen, denn es gab keine Möglichkeit den Fall bei dieser Orientierungslosigkeit zu lenken. Gespannt wartete ich auf das, was vor mir lag. Plötzlich schlug mir etwas ins Gesicht, mein Fall wurde drastisch gebremst und ich hing in der Luft, ohne weiter zu fallen. Was war passiert? Mein Fallschirm hatte sich an einem steilen Hang in einem Baum verfangen. Langsam von Ast zu Ast hangelte ich mich an dem Baum herunter. Wie durch ein Wunder hatte ich diese Landung, bis auf ein paar Schürfwunden, unverletzt überstanden.
Aber wo war ich gelandet? Bei Nieselregen und stockfinsterer Nacht, es war 2 Uhr, war eine Orientierung unmöglich. Ich lief einfach los. Nach einigen hundert Metern sah ich von weitem ein Haus. Ich zögerte ein wenig auf das Haus direkt zuzugehen, da man ja nicht wissen konnte, ob Freund oder Feind dort wohnten. Ich war erleichtert, als der Bewohner sich als ein Freund herausstellte. Noch in der gleichen Nacht führte er mich nach Plettenberg zur Polizei, um mit meiner Einheit in Köln-Wahn Verbindung aufnehmen zu können. Von dort erhielt ich den Befehl, unverzüglich nach der Maschine und dem vermißten Funker zu suchen.
Ich wartete bis zum Morgengrauen und suchte dann mit dem Plettenberger Volkssturm die einzelnen Täler ab. Nachdem wir zwei Tage lang die Gegend auf den Kopf gestellt hatten, gaben wir die Suche auf. Tage später meldete sich der Funker in Köln, und die Odyssee war beendet. Gestern hatte ich noch einmal versucht die Absturzstelle zu finden, leider ohne Erfolg.« Am Freitag setzte Hans Dehm -der rüstige Rentner — mit seinem Fahrrad seinen Weg weiter nach Münster fort, um Bekannte zu besuchen (…)

Mir, Markus Schmellenkamp, war es selber noch Ende des letzten Jahres möglich ein Gespräch mit Hans Dehm zu führen, in welchem er mir die damaligen Erlebnisse nochmals persönlich schilderte. Ein Zeitzeuge, der die Schrecken des Krieges am eigenen Leibe erfuhr!
Da die direkte Absturzstelle vor Jahrzehnten mit einer Bundesstrasse überbaut wurde, und das Gebiet schon vor einigen Jahren von einem Sammlern untersucht und geräumt wurde, konnten aktuell keine Überreste des Wracks gefunden werden. Laut Augenzeugenberichten wurden unmittelbar nach dem Absturz alle noch „brauchbaren“ größeren Teile von der Zivilbevölkerung eingesammelt und verwertet.

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© M.Schmellenkamp
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